Betriebliches Gesundheitsmanagement – Das sind doch die Äpfel im Sekretariat, oder?

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Einen Obstkorb im Büro platziert, die alten Möbel gegen funktionelle Designerstücke ausgetauscht, und dann noch einen Sportkurs im benachbarten Fitnessstudio gebucht – fertig ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). Doch halt: Ein Blick in die Statistiken der häufigsten Krankheitsfälle bei Arbeitnehmern zeigt, dass mit diesen Maßnahmen nur die wenigsten Mitarbeiter dauerhaft gesund zur Arbeit kommen. Ein umfassendes BGM beinhaltet sehr viel mehr, als nur einen gesunden Körper. Die psychische Gesundheit steht genauso im Mittelpunkt des BGM, wie Themen der Diversität, der Altersstruktur und der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. In diesem Übersichtsartikel sollen die einzelnen Bestandteile des BGM kurz vorgestellt werden und praxisnahe Beispiele aufzeigen, wie eine gelungene Umsetzung aussehen kann.

Äpfel BGM, Quelle: Pixabay

BGM oder BGF?

Zunächst aber eine kurze Begriffsklärung. In einem Atemzug mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement wird häufig auf der Begriff „Betriebliche Gesundheitsförderung“ (BGF) genannt, oder auch vermeintlich synonym verwendet. Dabei unterscheiden sich BGM und BGF voneinander:

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement geht über Betriebliche Gesundheitsförderung hinaus. Die  Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst alle freiwilligen Maßnahmen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie der Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) ist der Rahmen für die freiwillige Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF), die gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften und das Betriebliche Eingliederungsmanagement. Man kann daher sagen, dass BGF ein wesentlicher Bestandteil des BGM ist. Im folgenden Schaubild wird der Unterschied zwischen BGM und BGF noch einmal zusammengefasst.

BGM und BGF Quelle: DGB Bildungswerk Bund

Jetzt geht es darum, konkrete Angebote und Maßnahmen auszubauen und zu systematisieren. Eines vorab: Eine „Blaupause“ für das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) oder ein fertiges „Komplett-BGM-Paket“ gibt es nicht. Denn in jedem Unternehmen bestehen unterschiedliche Rahmenbedingungen. Und diese erfordern ein auf den jeweiligen Betrieb zugeschnittenes BGM. Die gute Nachricht ist: Es gibt bewährte Standards, die sich auf individuelle Situationen anwenden oder an diese anpassen lassen. Das ist weder aufwändig noch kompliziert.

BGM und Arbeitsschutz

Ein wesentlicher Bestandteil des BGM ist der Arbeitsschutz. Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind nicht nur gesetzlich vorgeschrieben und daher verpflichtend für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern können auch eine gute Analysegrundlage für weiterführende, freiwillige Angebote des BGM sein. Die systematische Durchführung der Gefährdungsanalysen, vor allem auch der Gefährdungsanalyse psychischer Belastungen, bieten den richtigen Ansatzpunkt. Aus den Ergebnissen und Erkenntnissen lassen sich Maßnahmen ableiten, die individuell für Ihren Betrieb und Ihr BGM-Konzept passend sind.

Betriebliche Wiedereingliederung

Die Betriebliche Wiedereingliederung ist ebenfalls ein im Gesetz verankertes (Pflicht-)Instrument für Arbeitgeber. Sobald ein Arbeitnehmer mehr als 6 Wochen krankheitsbedingt ausfällt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Im Unterschied zum Arbeitsschutz ist hier die Teilnahme für Arbeitnehmer jedoch freiwillig. Das Angebot des Arbeitgebers kann also auch abgelehnt werden. Maßnahmen aus dem BEM sind individuell an den Bedürfnissen des einzelnen betroffenen Mitarbeiters ausgerichtet. Je nach Bedarf wird häufig eine schrittweise Erhöhung der Arbeitszeit, Anpassung des Arbeitsplatzes nach den körperlichen Bedürfnissen des Arbeitnehmers (höhenverstellbarer Schreibtisch, Lesehilfen, etc.), bis hin zu einem Wechsel der Arbeitstätigkeit angeboten.

Gesundheitsverhalten am Arbeitsplatz

Unter Gesundheitsverhalten fallen alle (freiwilligen) Maßnahmen, die Arbeitnehmer am Arbeitsplatz wahrnehmen können, um möglichst gesund und fit zu bleiben. Dazu gehören gesunde Ernährungsangebote, Sport- und/oder Entspannungskurse, Gesundheitstage, Massagen am Arbeitsplatz und vieles mehr. Welche Maßnahmen für Ihr Unternehmen passend sind, finden Sie am besten über eine Mitarbeiterbefragung heraus. So können Sie feststellen, welche Situationen und Umstände von den Mitarbeitern als besonders belastend bewertet werden. Sicherlich ist nicht für jedes Unternehmen ein Sportkurs in der Mittagspause sinnvoll. Vielleicht wünschen sich Ihre Mitarbeiter ja eher unterstützende Maßnahmen, um in der Pause entspannen zu können? Auch Rauchentwöhnungskurse oder Zuschüsse zu einem aktiven Arbeitsweg (beispielsweise über den Verleih von E-Bikes) wünschen sich viele Arbeitnehmer.

Auch kleinere und mittelständische Unternehmen haben häufig zahlreiche Möglichkeiten, Ihren Mitarbeitern Angebote zum Gesundheitsverhalten zu machen. Ein kleines Maschinenbauunternehmen aus dem Rheinland hat sich mit benachbarten Unternehmen im Industriegebiet für gemeinsame Maßnahmen zusammengeschlossen. Dort werden nun wechselseitig Sport-, Entspannungskurse, sowie gemeinsame Events angeboten. Die Kosten teilen sich alle beteiligten Unternehmen und die Mitarbeiter freuen sich über das vielseitige Angebot, trotz der relativ kleinen Unternehmensgröße.

Gesund Führen

Die Vorbildfunktion der Führungskräfte darf auch beim Thema Gesundheit nicht unterschätzt werden. Nur wenn Gesundheit und eine aktive Unternehmenskultur fest in der Führungsetage verankert und gelebt wird, sind auch die Arbeitnehmer von den Maßnahmen des BGM überzeugt. Gesunde Führung fängt immer bei einer gesunden Selbstführung an. Nur wenn wir auf uns achten und unsere Grenzen kennen, können wir auch die Gesundheit und Belastungsgrenzen der Mitarbeiter im Blick behalten. Studien zufolge hat die Führungskraft einen höheren Einfluss auf die Gesundheit von Arbeitnehmern, als deren Hausarzt.
Das Thema Stress steht meist auch in direktem Zusammenhang mit der Führungskraft. Wer zu viel Druck auf seine Mitarbeiter ausübt, sorgt dafür, dass Motivation, Kreativität, Lernbereitschaft und letztendlich auch die Gesundheit sinken.

Die Stadtwerke in München setzen den Schwerpunkt im BGM ganz bewusst auf gesunde Führung. Indem das BGM als Dialogprozess zwischen Führungskräften und Mitarbeitern verstanden wird und die Mitarbeiter aktiv zur Partizipation in BGM-Projekten gebeten werden, lässt sich eine überdurchschnittlich hohe Teilnahme an allen Maßnahmen und ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein in der Belegschaft erkennen.

Gesunde Arbeitskultur

Zu einer gesunden Arbeitskultur gehört nicht nur ein wertschätzendes Miteinander statt eines überzogenen Konkurrenzdenkens. Auch eine Arbeitsgestaltung, die den Anforderungen der heutigen Zeit gewachsen ist, geprägt durch Termindruck, Rund-um-die-Uhr Service und eine hohe Kundenorientierung, ist Bestandteil einer solchen Kultur. Beispielsweise sind Maßnahmen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung, eine gesunde Pausenkultur, oder das Stoppen von Emailfluten hilfreich, um die Arbeit trotz hoher Belastungen gesundheitsfördernd zu gestalten.

Dass eine gesunde Arbeitskultur auch in Handwerksbetrieben kein Fremdwort ist, zeigt ein Praxisbeispiel aus Berlin. Im Interview erklärt die Chefin, dass man den Mitarbeitern Vertrauen beweisen kann, indem man Ihnen Dinge zutraut und eigenständiges Handeln ermöglicht. Dadurch erweitern sich die Handlungsspielräume der Mitarbeiter, und ein positiver Effekt auf die Motivation ist deutlich zu beobachten.

Der Weg zu einem umfassenden BGM erscheint oft schwieriger, als er tatsächlich ist. Wir können Ihnen Unterstützung bei der Bedarfsanalyse, der Entwicklung von individuell passenden Maßnahmen oder der Evaluation von bestehenden BGM-Strategien anbieten. Sprechen Sie uns gerne an.

Über den Autor

Prof. Dr. Magdalena Bathen-Gabriel

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