Candidate Experience Management: Wie wir uns als Krankenhaus bei der Fachkraft bewerben

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Candidate Experience – das meint das individuelle Erleben des Bewerbers in einem Bewerbungsprozess an allen Kontaktpunkten mit dem Unternehmen. Der Begriff wurde bewusst mit einer Parodie, dem sogenannten „Candy Date“ bedacht. Ähnlich wie bei einem „Candy Date“ soll die Candidate Experience einem Bewerber ein möglichst positives Erlebnis im Rahmen des Rekrutierungsprozesses bieten. Das Candidate Experience Management ist ein Managementansatz, der sich aus dem Costumer Experience Management ableitet und auf den Bereich der Personalbeschaffung übertragen wird. Der Fokus wird von den Kundenbedürfnissen auf die Bedürfnisse des Kandidaten übertragen.

Warum spielt dieser Ansatz vor allem in der Krankenhauslandschaft eine immer wichtigere Rolle?

Der stetige Konkurrenzdruck und die zunehmenden Kundenerwartungen, der technische Fortschritt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und vor allem der demographische Wandel stellen Recruiter vor große Herausforderungen. Als Recruiter eines Krankenhauses der Regelversorgung, welches stark von einem Fachkräftemangel geprägt ist, bedeutet diese Entwicklung vor allem, dass der Erfolg zukünftig durch einen starken Konkurrenzdruck und das Umwerben neuer, junger Mitarbeiter geprägt sein wird. Der Wandel der Gesellschaft hin zu einer Wissensgesellschaft, in der Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil wird, zeigt die Bedeutung und Wichtigkeit guter und qualifizierter Mitarbeiter.

Vor dem Hintergrund dieser Herausforderung muss ich mich als Recruiter eines Krankenhauses zunehmend damit  befassen

  • welche Maßnahmen wir einleiten können, um qualifizierte Mitarbeiter, im Rahmen des Recruitingprozesses, für uns zu gewinnen
  • und vor allem: wie können wir diese auch langfristig binden?

Seit 2015 gilt die Candidate Experience als das Trend-Thema im Personalbereich. Trotzdem gibt es bis heute nur wenig deutschsprachige Literatur und empirische Untersuchungen zu diesem Thema.

Eine Pflegefachkraft kann sich heutzutage den Arbeitgeber bzw. die Arbeitsstelle aussuchen. Passt es bei dem aktuellen Arbeitgeber nicht mehr, kündigt die Fachkraft ohne einen Anschlussvertrag vorliegen zu haben und findet binnen kürzester Zeit einen neuen Arbeitsplatz. Aber wie entscheidet sich eine Fachkraft z. B. eine Pflegefachkraft für einen Arbeitgeber und letztendlich für ein Stellenagebot bzw. einen Arbeitsplatz? Die Krankenhauslandschaft ist dicht besiedelt und die Auswahl groß.

Um Fachkräfte für unser Unternehmen zu gewinnen, muss das Thema Candidate Experience aus Sicht der Bewerber eines Krankenhauses analysiert werden. Als Recruiter muss ich mir die Frage stellen, ob die bisher wenigen Studien noch aktuell sind und inwieweit es noch eine Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen des Bewerbers und dem Arbeitgeber gibt. Die Candidate Journey ist hierzu ein geeignetes Mittel, um genau das herauszufinden.

Die Candidate Journey

Die Candidate Journey ist die Bezeichnung für alle direkten und indirekten Touchpoints, über die ein Bewerber im Rahmen seines Recruitingprozesses mit dem Unternehmen in Kontakt kommt.  Solche Kontaktpunkte gibt es viele! Der Arbeitgeber kann einige dieser Touchpoints mitgestalten. Einige jedoch nicht. Oftmals übersehen Arbeitgeber, aufgrund der Anzahl an Touchpoints, einige Kontaktpunkte mit dem Bewerber. Durch eine regelmäßige Messung aller relevanten Kontaktpunkte kann man einen guten Überblick darüber bekommen, wie die Candidate Journey von Bewerbern aussieht und welche Candidate Experience diese haben. Auf diese Art ist es möglich, das Risiko, dass der Bewerber innerhalb seiner Journey aus dem Bewerbungsprozess aussteigt oder erst gar nicht einsteigt, zu identifizieren.

Die tägliche berufliche Praxis und Erfahrung zeigt, an welcher Stelle Schwächen im Prozess liegen!

Wir haben oftmals nur wenige Tage Zeit, um uns für die Einladung zum Vorstellungsgespräch einer Pflegekraft zu entscheiden und den Termin möglichst zeitnahe zu vereinbaren. Und dann bleibt zu hoffen, dass die Konkurrenz nicht schneller war.

Faktor Image des Krankenhauses

Die Diskrepanz zwischen den Erwartungen eines Bewerbers und die des Unternehmens sind immer noch sehr groß. Gerade im Gesundheitssektor, mit einer dicht besiedelten Krankenhauslandschaft, wird das Image des Arbeitsgebers für den Bewerber eine zentrale Rolle spielen, um sich für eine Bewerbung zu entscheiden. Ist der Ruf schon schlecht, wird es schwierig, gute Pflegekräfte zu akquirieren. Die Bewertung eines Krankenhauses spielt demnach nicht nur für die Patienten eine wichtige Rolle, auch potenzielle Bewerber ziehen die einzelnen Bewertungen mit in die Entscheidung.

Faktor Internetsuche

Die Aufmerksamkeit auf vakante Stellenangebote wird vorwiegend über das Internet erfolgen. Doch wie sucht der Bewerber nach einem Stellenangebot? Macht sich eine Pflegekraft die Mühe stundenlang Jobportale zu durchforsten, obwohl sie weiß, dass jedes Krankenhaus in der Umgebung Pflegekräfte sucht? Oder erfolgt die Suche eher über die unkomplizierte Suchmaschine Google, die einem binnen weniger Sekunden alle Krankenhäuser der Umgebung aufzeigt?

Faktor Werbung

Auch die tägliche Beschallung mit Werbung kann über den Entschluss einer Bewerbung entscheiden. Die Modeblogger machen es uns vor und zeigen, wie schnell man über die Social Media Kanäle Kunden für zahlreiche Produkte akquirieren kann – zufällig gesehen, für gut befunden und am nächsten Tag gekauft. Genau diese Rolle müssen wir als Recruiter annehmen. Wir müssen das Krankenhaus und den Job gut verkaufen. Der Bewerber muss das Gefühl entwickeln, unbedingt bei uns arbeiten zu wollen, um all die tollen Vorteile einer Beschäftigung bei uns genießen zu können. Und bieten müssen wir so einiges. Die Work Life Balance, das Fitnessangebot und die zahlreichen Rabattaktionen für unsere Pflegekräfte sind nur ein Teil des Angebots.

Faktor Bewerbermanagementsystem

Ein weiteres zentrales Thema für Arbeitgeber wird das Bewerbermanagementsystem sein. Im Zeitalter des Fachkräftemangels wird eine Pflegekraft bzw. ein Arzt nicht viel Zeit investieren wollen, seine Daten immer neu in Onlineformulare einzugeben. Schätzungsweise möchten Bewerber nicht mehr als 20 Minuten Zeit aufwenden. Dauert es länger, wird eine Pflegekraft das Bewerbungsverfahren eher abbrechen und sich anderweitig bewerben. Im Umkehrschluss heißt das für uns Recruiter, dass wir weiterhin bereit sein müssen, Bewerbungen per Post anzunehmen und die E-Mail Bewerbung mühselig in unser Bewerbermanagementsystem zu übertragen.

Faktor Zeit

Zudem wird der Faktor „Zeit“ für die Bewerber eine immer wichtiger werdende Rolle spielen. Potenzielle Bewerber werden sich bei einer zu langen Wartezeit des Bewerbungsverfahrens für ein anderes Krankenhaus entscheiden. Wir haben oftmals nur wenige Tage Zeit, um uns für die Einladung zum Vorstellungsgespräch einer Pflegekraft zu entscheiden und den Termin möglichst zeitnahe zu vereinbaren. Und dann bleibt zu hoffen, dass die Konkurrenz nicht schneller war.

„War for Talents“

Die Erwartungen an das Recruiting im Gesundheitssektor sind hoch. Der „War for Talents“ ist eröffnet. Das Blatt hat sich gewendet. Die Pflegekraft muss nicht mehr zahlreiche Bewerbungen schreiben und hoffen, eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch zu erhalten. Im Gegenteil: Das Krankenhaus – und in seinem Namen der Recruiter – bewirbt sich bei den zukünftigen Pflegekräften, und zwar mit einem Bewerbungsprozess, der die Bedürfnisse des Bewerbers erfüllt. Und dann bleibt zu hoffen, dass wir eine positive Rückmeldung des Bewerbers erhalten.

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Manuela Eggert
Von Manuela Eggert

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