Online-Angebote in der Corona-Zeit – Interviews mit Nutzern

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Thema: Erfahrungsberichte zu digitalen Angeboten aus Teilnehmersicht

Ein Sprung nach vorne in digitale Arbeitsformen, das brachte die Corona-Krise mit sich. Wir haben Erfahrungsberichte zu Homeoffice, Online-Beratung und Online-Workshops erfragt.

ERfahrungen mit Homeoffice und Online-Beratung: Interview mit Matthias F. (43)

PLÖTZLICH HOMEOFFICE – WIE LIEF DAS BEI IHNEN?

Ich bin bei einem Unternehmen aus der Versicherungsbranche angestellt, das direkt zu Beginn der Corona-Krise Sicherheitsvorkehrungen getroffen und alle Mitarbeitenden ins Homeoffice geschickt hat, bei denen dies von den Arbeitsabläufen her möglich war. Ich habe schon vorher einen Tag in der Woche aus dem Homeoffice gearbeitet, um meiner Frau mit unseren beiden kleinen Töchtern entgegenzukommen. Wir wohnen in einem Einfamilienhaus und ich habe mir im Keller selbst ein Büro eingerichtet, in dem ich meistens relativ ungestört arbeiten kann. Die Ausstattung ist vergleichbar mit einem klassischen Büroarbeitsplatz. Andere Kollegen haben sich Stühle und Monitore ausgeliehen.

Meine Frau wollte in diesem Sommer wieder anfangen vormittags zu arbeiten. Meine beiden Töchter gingen bereits in den Kindergarten und die Grundschule, aber das war dann ja dank Corona erstmal hinfällig.

Da ich fünf Tage die Woche von zuhause aus gearbeitet habe, bin Ich definitiv häufiger von meiner Familie bei der Arbeit unterbrochen worden, auch weil sie nun selbst immer zuhause waren und sich nicht mit Ihren Freundinnen treffen konnten – auch meine Frau nicht. Das war schon eine echte Herausforderung, zumal es schon vorher in unserer Ehe gekriselt hat und ich oft mit Stress zu kämpfen habe. Ich bin froh, seit Juni in Absprache mit den Kollegen wieder regelmäßig im Büro arbeiten zu können. Wir wechseln uns ab.

Sie haben Online-Beratung gesucht: Wie waren Ihre Erfahrungen?

Ich hatte bereits vor der Krise auf eigene Initiative Kontakt zu einer Psychologin gesucht, die sich auf Stressprävention und Eheberatung spezialisiert hat. Ich hatte seit Ende letzten Jahres zwei Termine bei Ihr und habe auch schon einige Fortschritte im Umgang mit Stress gemacht. Eine wichtige Erkenntnis war unter anderem, wie wichtig es ist, offen über Bedürfnisse, Regeln und Grenzen zu sprechen – mit meinem Vorgesetzten, meinen Kollegen und natürlich auch mit meiner Frau und den Kindern.

Am Anfang der Krise habe ich erstmal meinen nächsten Termin abgesagt, mich dann aber entschlossen, dass eine Online-Beratung besser als keine Beratung ist. Das Risiko mit dem Datenschutz habe ich bisher gar nicht bedacht. Da vertraue ich meiner Psychologin. Aber eine Online-Beratung konnte ich mir bis dahin für mich gar nicht vorstellen. Sie fühlt sich tatsächlich auch anders an – entfernter und intimer zugleich. Man ist mehr auf sich selbst zurückgeworfen und trotzdem begleitet. Ich kann mir vorstellen, das bei Bedarf weiter zu nutzen, aber eigentlich sind mir Treffen face-to-face lieber – auch weil man dann einen bestimmten Ort aufsucht, der nur für die Beratung da ist und wo man nicht gestört wird.

Mit welchen Schwierigkeiten mussten Sie umgehen?

Wir hatten in einer Beratungssitzung große Schwierigkeiten mit der Netzverbindung und haben die Sitzung dann verschoben. Das war ärgerlich, weil mein Terminplan sehr voll war und sich die Beratung dadurch um zwei Wochen verschoben hat. Ich hätte die Unterstützung eigentlich direkt gebrauchen können. Ansonsten fühlt es sich wie gesagt entfernter an, weil der direkte Kontakt nicht so da ist. Das gleiche Problem habe ich aber auch in den Meetings mit meinen Kollegen. Ich habe das Gefühl, alle arbeiten mehr und das Zwischenmenschliche kommt zu kurz.

Was war Positiv?

Dass ich trotz Corona weiter an meinem Umgang mit Stress arbeiten konnte, war sehr hilfreich. Gerade weil für mich die familiäre Situation im Lockdown sehr stressig war. Ich habe in dieser Zeit auch sehr gute Tipps von meiner Psychologin bekommen, wie man Privatleben und Arbeit im Homeoffice trennen kann. Das hat wirklich einen Unterschied gemacht. Ich bin froh, dass eine Online-Beratung in dieser Zeit möglich war.

Würden Sie nochmal so entscheiden?

Ja, ich würde mich wieder so entscheiden, auch wenn mir face-to-face Beratung lieber ist. Was ich spannend fände, wäre VR-Beratung, also mit einer VR-Brille, so dass man den Eindruck hat, sich wieder gegenüber zu sitzen.

 

ERfahrungen mit einem Online-Workshop – Interview Mit Lisa H.

Plötzlich HOmeoffice – Wie lief das bei Ihnen?

Normalerweise arbeite ich 5 Tage die Woche im Einkauf eines Industrieunternehmens im Büro. Homeoffice war in meinem Unternehmen eigentlich kein Thema und wurde nur sehr vereinzelt genutzt. Vor der Corona-Krise gab es auch keine technischen Mittel, die dafür genutzt werden konnten. Erst jetzt wurden wir mit Laptops ausgestattet, so dass wir nach und nach ins Homeoffice wechseln konnten. Für die ergonomische Ausstattung zu Hause musste ich selbst sorgen. Zum Glück konnte ich mich in ein Arbeitszimmer zurückziehen, das war nicht bei allen Kollegen gegeben. Trotzdem wurde ich häufig von meinen Kindern unterbrochen, aber das ist im Büro sehr ähnlich. Dort sind es zwar nicht die Kinder, aber häufige Anrufe und Kollegen oder Kunden, die nur mal kurz eine Frage stellen wollen, unterbrechen mich dort auch ständig.

Sie haben einen Online-Workshop mitgemacht: Wie waren Ihre Erfahrungen?

Ich habe an einem Online-Workshop teilgenommen. Das war eine strukturierte Gesprächsrunde, in der wir uns über schwierige Arbeitssituationen ausgetauscht und Lösungsansätze erarbeitet haben. Der Workshop wurde von meinem Arbeitgeber geplant, ich hatte mich aber freiwillig dafür gemeldet. Vor Corona habe ich ein solches Angebot noch nie wahrgenommen. Aber ehrlich gesagt kommen solche Workshops, egal ob in Präsenz oder Online, sowieso nicht häufig in meinem Arbeitsalltag vor. So gesehen war es eine spannende Erfahrung. 

In den ersten Minuten war es schon eine komische Situation, am Rechner miteinander zu diskutieren. Aber das war nach kurzer Zeit schon vergessen und der Austausch verlief eigentlich so, wie in einer normalen Gesprächsrunde. Auf jeden Fall war das Online-Angebot ein guter Ersatz für einen normalen Workshop. Aber auf Dauer würde ich doch lieber wieder zu Präsenz-Veranstaltungen wechseln. Das hat einfach nochmal eine etwas persönlichere Note.

Gab es Schwierigkeiten?

Eigentlich kann ich gar nicht von Schwierigkeiten berichten. Durch die Videoübertragung konnte man sich ein wirklich gutes Bild machen und die Ton-Qualität war gut. Daher war alles soweit in Ordnung.

Welche Vorteile sehen Sie?

Die Möglichkeit, jetzt auch von zu Hause arbeiten zu können, genieße ich schon sehr. Vor allem, da es in meinem Büro im Sommer sehr heiß wird, ist das eine gute Möglichkeit, um der Hitze zu entkommen. In solchen Situationen, wie dem Online-Workshop, fände ich es jedoch besser, ihn im Büro stattfinden zu lassen. Aber das ist vor allem mein persönlicher Geschmack, im Ergebnis ist es denke ich egal, ob Dinge online oder vor Ort diskutiert wurden.

Was ist Ihr Fazit?

Ich finde es beeindruckend, wie die Corona-Krise Prozesse beschleunigen konnte, die in meinem Unternehmen vorher Jahre gedauert hätten. Scheinbar sind wir doch nicht so unflexibel, wie ich lange Zeit gedacht habe. Trotzdem muss zukünftig nicht alles online stattfinden, auch persönliche Gespräche sind wichtig. Ich würde daher den Online-Workshop nur in solchen Situationen empfehlen, in dem er vor Ort nicht stattfinden kann. Dann ist es eine gute Alternative. Aber eine Präsenz-Veranstaltung ist mir immer noch lieber.

Über den Autor

Ina Echterhof

M.Sc. Psychologin

www.beratung-echterhof.de
info@beratung-echterhof.de
Telefon: 0241/ 56 00 49 51

Prof. Dr. Magdalena Bathen-Gabriel

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