Webinar, E-Learning, Seminar? Worauf es bei der Auswahl und Vorbereitung ankommt

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Webinare und E-Learning sind inzwischen in aller Munde und erscheinen auf den ersten Blick als eine kostengünstige und effektive Methode, um Schulungen oder Fortbildungen zu gestalten. Die Vorteile liegen erst einmal auf der Hand:

  • Teilnehmerzahl: Eine Personalschulung oder ein Fortbildungsseminar ist für gewöhnlich auf eine bestimmte Teilnehmerzahl begrenzt, oft sind Schulungen ab 15 bis 20 Anmeldungen ausgebucht. Ein Webinar kann mit deutlich mehr Teilnehmern stattfinden. Das spart Zeit und Personal.
  • Räumliche Beschränkungen: Raummieten, ein gewisses Verpflegungsangebot, Anfahrt und ggf. Übernachtungsmöglichkeiten für Seminarleitung und Teilnehmende müssen bei der Planung einer Präsenzschulung bedacht und mitkalkuliert werden. An einem Webinar kann jeder von überall aus teilnehmen und verpflegt sich selbst. Es ist sozusagen „barrierefrei“.
  • Störungen und zeitliche Verzögerungen: Wenn es um die Vermittlung von Pflichtinhalten, Vorschriften oder Gesetzen geht (z.B. Hygienebelehrungen, Sicherheitseinweisungen), können Einwände und Diskussion zwischen den Teilnehmenden die Wissensvermittlung stören und unnötig in die Länge ziehen. Da kann ein E-Learning-Format effizienter sein.

Bevor man jedoch dazu übergeht, sämtliche Schulungen, Fortbildungen und Vorträge als Webinare anzubieten, sollten ein paar wichtige Fragen gestellt und beantwortet werden, die darüber entscheiden, ob das Webinar oder ein E-Learning als Methode geeignet ist und die tatsächlich bessere Alternative darstellt als eine Präsenzveranstaltung:

 

 

  • Was möchte ich mit dem Webinar erreichen und was erwarten die Teilnehmenden?

Webinare werden selbstverständlich nicht ausschließlich zu Schulungs- und Trainingszwecken eingesetzt. Häufig finden sie auch Verwendung, um ein neues Produkt  einzuführen, schmackhaft zu machen und schließlich zu verkaufen. Zu diesem Zweck werden Webinare angeboten, um (potentielle) Kunden sozusagen anzufüttern. Webinare als Marketingveranstaltung sind sicherlich effektiv, jedoch sollte man bedenken, ob den Zuhörenden klar ist, welche Art von Webinar sie gerade besuchen. Haben die Teilnehmenden durch Vorankündigungen des Webinars den Eindruck und die Erwartung, dass es sich dabei um ein Schulungsangebot handelt, in dem Wissen und Kompetenzen vermittelt werden, können sie durch die Erfahrung einer reinen Verkaufsveranstaltung enttäuscht sein. Hat die Teilnahme an dem Webinar auch noch Geld gekostet, führt dies zu Ärger und zum Gegenteil von dem, was man mit dem Webinar bezwecken wollte. Andersherum kann es auch sein, dass die Teilnehmenden einen kurzen und knappen Informationsüberblick erwarten, das Webinar jedoch auf eine detailreiche und intensive Wissensvermittlung angelegt ist.

Um Unmut, enttäuschte Erwartungen und vorzeitiges Abbrechen der Webinarteilnahme vorzubeugen, empfiehlt es sich also, im Vorhinein eindeutige Informationen über die Ziele und die Dauer des Webinars preiszugeben und diese dann auch einzuhalten. Mit anderen Worten: Was für eine Präsenzveranstaltung gilt, sollte auch für ein Webinar gelten.

  • Welche Inhalte möchte ich vermitteln und welche Teilnehmerreaktionen werden erwünscht und erwartet?

Daran schließt sich die zweite wichtige Fragestellung zur Vorbereitung und Einführung von Webinaren an. Wer ein Webinar leitet, sieht sich mit ähnlichen didaktischen und konzeptionellen Anforderungen konfrontiert wie jemand, der ein Präsenzseminar hält. Jeder hat schließlich seinen eigenen Stil und den sollte man kennen und auf die Tauglichkeit für ein Webinar hinterfragen.

Wer eher darauf setzt, möglichst viel Information in einem Vortrag unterzubringen und die wichtigsten Punkte auf einer Folie oder einem Schaubild präsentiert, der sollte von einem Webinar Abstand nehmen und lieber eine klassische E-Learning Schulung anbieten. Ein Webinar ist ein interaktives Lern- und Informationsangebot und die Möglichkeit, aktiv auf das Geschehen Einfluss zu nehmen, sich auszutauschen oder Fragen stellen zu können, wird auch von den Teilnehmenden erwartet. Dafür nehmen diese sich an einem ganz bestimmten Tag zu einer festen Uhrzeit Zeit, um live dabei sein zu können. Bei einer reinen Wissensvermittlung empfiehlt sich ein E-Learning-Format, das jederzeit abgerufen und pausiert werden kann. Der Teilnehmende kann so ggf. zurückspringen, Erklärungen und Herleitungen mehrfach hören, er hat viel Zeit, um Notizen anzufertigen und Hintergrundinformationen zu recherchieren,  und er kann eine Pause einlegen, wenn sie benötigt wird. Eine Liveschaltung ist hier eher ungeeignet. Gleichzeitig ist ein E-Learning-Format aber auch aus denselben Gründen durchaus sinnvoller als eine Präsenzveranstaltung.

Wenn die Vermittlung der Inhalte darauf aufbaut, dass Teilnehmende sich den Stoff selbstständig oder in Gruppen erarbeiten, miteinander diskutieren oder sich gar gegenseitig Erlerntes vortragen, dann ist ein Webinar ebenfalls schwer umzusetzen. Zwar sollte es interaktiv gestaltet sein, die Teilnehmenden haben natürlich die Möglichkeit Fragen zu stellen oder sich „zu unterhalten“. Für intensive Gruppenarbeiten wirkt ein Webinar jedoch eher befremdlich. Hier wäre ein Präsenzseminar mit einer beschränkten Teilnehmerzahl angebracht.

Ein Webinar ist dann besonders gut geeignet, wenn die Inhalte in einer Kombination aus Vortrag mit eingeblendeten Folien/ Schaubildern, freier Rede, Erläuterungen von Beispielen und Frage-Antwort-Sequenzen erfolgt. Durch die Live-Schaltung empfiehlt es sich, ein Webinar auf die Dauer von ca. 60-90 Minuten zu begrenzen. Es gehört sicher ein gewisses Geschick und etwas Übung dazu, zu Fragen anzuregen, aber auch aus vielen gestellten Fragen diejenigen rauszupicken, deren Beantwortung alle Teilnehmenden und die Diskussion insgesamt inhaltlich weiterbringen.

  • Wer sind eigentlich meine Zuhörer/ Teilnehmer?

Genau wie bei einer Präsenzschulung ist es für den Seminar- bzw. Webinarleiter in der Vorbereitung und Durchführung essentiell, Informationen über die Teilnehmenden zu haben. Dies betrifft das Alter, den Bildungshintergrund, die aktuelle berufliche Situation und die Frage, ob es sich um eine homogene oder heterogene Gruppe handeln wird. Durch den direkten face-to-face Kontakt in Präsenzschulungen wird dem Seminarleiter recht schnell klar, ob sich die Teilnehmer langweilen, überfordert sind, eine Pause oder Zeit für den Austausch untereinander brauchen. Diese unmittelbare Rückmeldung fehlt in Webinaren. Soll also beispielsweise ein und dieselbe Schulung (z.B. eine Schulung zum Umgang mit Kunden) einer heterogenen Gruppe (von der Servicekraft bis zur Vertriebsführung) dargeboten werden, sollte darüber nachgedacht werden, ob nicht unterschiedliche, auf die Teilnehmer spezifisch zugeschnittene Webinare stattfinden sollten. Die Tatsache heterogener Gruppen wird leider häufig bei der Darbietung digitaler Lernformen vernachlässigt. Unterschiedliche Berufs- und Personengruppen haben eine unterschiedliche Motivation, an dem Webinar teilzunehmen, besitzen unterschiedliche Hintergründe aus ihrem beruflichen Alltag, haben unterschiedliche inhaltliche Fragen und Bedürfnisse und eine unterschiedliche Aufmerksamkeitsspanne. Ein gutes Webinar trägt, wie ein guter Unterricht, diesen Unterschieden Rechnung.

Dient das Webinar zur Vorstellung oder Einführung eines neuen Produkts, so sind die Teilnehmer bestehende und/oder zukünftige Kunden, die sich extra für das Webinar Zeit nehmen. In diesem Setting ist besondere Bedeutung dem interaktiven Chat zu schenken. Fordert ein Teilnehmer über den Chat mehr Informationen über das Produkt oder eine weiterführende Mailkommunikation, so denkt er zumindest über den Kauf des Produkts nach oder beabsichtigt diesen sogar. Ist der Webinarleiter mit der Chatfunktion überfordert, übergeht er Anfragen oder bevorzugt einzelne Teilnehmer, fühlen sich andere vor den Kopf gestoßen und als Kunde nicht gut aufgehoben. Das Webinar kann dann sogar einen negativen Effekt haben.

 

Ein Webinar anzubieten ist genauso eine hohe Kunst wie das Halten einer guten Präsenzschulung. Grundlegende Fragen über Ziele und Inhalte, Vermittlungsmethoden, didaktische Gestaltung und Teilnehmerzusammensetzung gehören auch zur Vorbereitung und Durchführung digitaler Lernformen. Was effektiv sein kann, darf nicht billig gemacht sein. Nicht jeder Inhalt und jedes Setting eignet sich für ein Webinar. Gleichzeitig ermöglichen Webinare über eine lebendige Vermittlung, einen guten Methodenmix, sinnvolle Zeiteinteilungen und kompetent genutzte Interaktionssysteme neue, weitreichende Möglichkeiten der Wissensvermittlung und –beschaffung.

 

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Prof. Dr. Nora Walter
Von Prof. Dr. Nora Walter

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