Motivation – hilfreiche Konzepte aus der Wissenschaft

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„Sagen Sie mir doch mal, wie kann ich meine Leute motivieren?“ Darauf frage ich gerne mit einem Zwinkern zurück: “Was meinen Sie genau? Wie man sie manipulieren kann, das zu tun, was man selbst will?“ Viele Gurus verdienen ihr Geld damit, genau so etwas zu versprechen. Obwohl es nicht funktioniert – zum Glück!

Wenn Sie auf die Motivation von Menschen Einfluss nehmen wollen, dann müssen Sie sich auf deren Strukturen einstellen, nicht umgekehrt. Ich möchte Ihnen für drei typische Fragestellungen psychologische Konzepte vorstellen, die dazu Ansatzpunkte liefern.

Fotolizenz Pixabay 2019 (c) Mihai Surdu

Für Führungskräfte, die Mitarbeitende motivieren wollen:

Die Erwartung-mal-Wert-Theorien

Unter Motivation versteht man in der Psychologie den Antrieb für ein bestimmtes Verhalten. Es umfasst die Aspekte Richtung, Intensität und Ausdauer:

  • Richtung: Entscheidung für eine bestimmte Alternative
  • Intensität: Einsatz, Energie, Anstrengung bei der Verfolgung dieser Alternative
  • Ausdauer: Hartnäckigkeit bei Widerständen und Problemen

Das wäre doch eine prima Idee: Wenn Frau Meyerdircks sich entscheiden würde, nicht länger in der Teeküche mit dem Kollegen zu quatschen, sondern an ihren Arbeitsplatz zurückgehen und dort mit Energie am Angebot für einen schwierigen Kunden arbeiten würde und, falls Angaben fehlten, diese hartnäckig per Telefon oder Mail einholen würde!

Die Motivationsstärke für eine Verhaltensalternative ergibt sich aus zwei Stellschrauben: Der Erwartung und dem Wert. Was ist darunter zu verstehen?

Der Wert umfasst den Nutzen oder die Bedeutung der Alternative. Achtung: Das ist subjektiv! Was ist für mich wertvoll oder nützlich?

Vielleicht entscheidet sich Frau Meyerdircks im Beispiel für die Plauderei, weil ihr die Zufriedenheit des Kollegen wichtiger ist als die des Kunden?

Unter Erwartung wird die subjektive Vermutung verstanden, wie wahrscheinlich eine Alternative auch zum positiven Ergebnis führt. Werde ich Erfolg haben, wenn ich mich hier reinhänge?

Vielleicht bleibt Frau Meyerdircks auch in der Teeküche, weil sie nicht daran glaubt, dass sie dieses komplizierte Angebot je fertigkriegen wird?

Nach den Erwartung-mal-Wert-Theorien finden im Kopf jederzeit solche Abwägungen statt, was sich mehr lohnt als anderes. Das muss nicht bewusst passieren. Auch intuitiv entscheidet sich der Mensch für das Ziel, was am ehesten den eigenen Bedürfnissen und Werten entspricht und was man sich auch zu erreichen zutraut.

Die kluge Führungskraft redet daher nicht auf den Mitarbeiter ein, sondern baut einen guten Kontakt auf, um zu erfahren, welche Werte und Erwartungen im Kontext eine Rolle spielen. Leider kann sie ihre Werte nicht in den Mitarbeiterkopf transplantieren. Wenn sie selbst Kundenzufriedenheit und Abteilungsergebnisse hochschätzt, so ist das auf Mitarbeiterebene nach meiner Erfahrung nicht immer so ausgeprägt. Also gilt es, bei den Werten anzusetzen, die dieser Mitarbeiter nun mal mitbringt.

Mal angenommen, Frau Meyerdircks ist es wichtig, von jedem gemocht zu werden. In die Kommunikation mit Kollegen zu investieren, ist da lohnend. Was kann die Führungskraft tun, um auf Grundlage dieses Wertes für mehr Arbeitsengagement zu werben? Das kommt auf den Einzelfall an, aber hier ein paar Beispielargumente, um Ihre Kreativität anzuregen:

  • Gerade der schwierige Kunde braucht sie, vielleicht wird er dankbar sein.
  • Auch die Führungskraft braucht ihr Engagement und wird sie umso mehr schätzen, je mehr sie davon zeigt.
  • Die Kollegen werden sie nicht mehr so mögen, wenn sie ihre Rückstände mit aufarbeiten müssen.
  • Dagegen werden die Kollegen dankbar sein, wenn sie Beispiele für komplizierte Angebote im Team-Meeting allen zur Verfügung stellt.

Den Faktor Erwartung kann man hinterfragen, ob nicht doch mehr Optimismus angemessen wäre. Menschen behalten Misserfolge länger im Gedächtnis. So werden die Erinnerungen verzerrt. Falls die Führungskraft allerdings die Erfolgswahrscheinlichkeit auch nicht so hoch einschätzt, dann heißt es: Lernen und üben!

Wenn Frau Meyerdircks also auch zögert, weiterzuarbeiten, weil sie zweifelt, ob sie das Angebot schaffen wird, dann kann die Führungskraft sie an ähnliche Aufgaben aus der Vergangenheit erinnern, die sie sehr wohl bewältigt hat. Sie können Zwischengespräche vereinbaren, wo sich die Mitarbeiterin Sicherheit holen kann. Oder, wenn es nötig ist, auch einen Schrittplan für die Kompetenzentwicklung vereinbaren.

Führungskräfte können in vertrauensvollen Gesprächen über die Werte und Erwartungen eines Mitarbeiters diesem helfen, sein inneres Motivationssystem in Einklang mit den betrieblichen Zielen auszurichten.

Für Unternehmen, die ihre Belegschaften motiviert halten wollen:

Das Job Characteristic Model (JCM)

Mit welcher Arbeitsgestaltung können wir die intrinsische Motivation unserer Beschäftigten stärken und erhalten? Das ist sinnvoll, denn eine intrinsische Arbeitsmotivation zeigt positive Korrelationen mit der Qualität der Arbeitsleistung sowie der Arbeitszufriedenheit und negative Zusammenhänge zu Absentismus und ungewünschter Fluktuation.

Das Job Characteristic Model (JCM) beschreibt drei innere Erlebniszustände, die mit intrinsischer Motivation einhergehen:

  1. Die erlebte Bedeutsamkeit der Aufgaben
  2. Die erlebte Verantwortlichkeit für die Aufgaben
  3. Die Kenntnisse über Ergebnisse der eigenen Arbeit

Das sind nun alles innere Zustände der Menschen. Welche Einflussfaktoren hat das Unternehmen dabei?

1.a)  Bedeutung von Aufgaben kommunizieren und wertschätzen

Ich habe es öfter erlebt, dass Beschäftigte ihre Tätigkeiten unterschätzten. Beispielsweise waren die Mitarbeitenden einer zentralen Backoffice-Abteilung in einer Krankenkasse der Meinung, einen unwichtigen Job zu erledigen. Die Meinung war vielleicht entstanden, als die Abteilung in einem wenig repräsentativen Gebäude eingerichtet wurde und Mitarbeiter dorthin versetzt worden waren, die anderswo nicht mehr gebraucht wurden. Meine Sichtweise: Dort wurden erhebliche Beträge erwirtschaftet, die für Tausende Versicherte den Beitragssatz stabilisierten. Dadurch zum Nachdenken gebracht, konnten sich die Mitarbeiter ganz anders mit ihren Aufgaben identifizieren.

1.b)  Arbeitsabläufe ganzheitlich und mit vielfältigen Anforderungen gestalten

Vielfältigkeit bedeutet, dass verschiedene Tätigkeiten zu erledigen sind, die einen unterschiedlich fordern. Für mich ist es nach konzentriertem Blogschreiben erfrischend, mit Kunden zu telefonieren, auch wenn es dort um anspruchsvolle Auftragsverhandlungen geht. Danach wiederum kann ich mich dabei erholen, Flipcharts für das nächste Seminar zu malen.

Ganzheitlichkeit meint, dass umfassende Arbeitsabläufe von einem Menschen ausgeführt werden können und nicht nur kleine Teilschrittchen.

Während in der Industrie mit teilautonomen Fertigungsgruppen in diese Richtung gegangen wurde, erlebe ich im Dienstleistungssektor manchmal umgekehrte Entwicklungen. Wenn z. B. in Banken Vorbereitungsaufgaben outgesourct werden, für die man keinen Bankabschluss braucht, dann spart das Kosten, aber verringert Anforderungsvielfalt und Ganzheitlichkeit an den verbleibenden Bankarbeitsplätzen.

2.  Autonomie gewähren und einfordern

Hier sind agile Methoden hilfreich, die Verantwortung aus den oberen Etagen der Unternehmen zurückholen an die Basis, wo die Kernprozesse bearbeitet werden. Doch nach meiner Erfahrung ist das kein Selbstläufer: Ja, wenn Beschäftigte gerne gestalten wollen, dann nehmen sie Entscheidungsmacht an, füllen sie aus und erfahren Motivation durch den Erfolg. Aber in vielen, insbesondere großen und alten Unternehmen (beileibe nicht nur Behörden) haben Mitarbeitende gute Erfahrungen damit gemacht, Verantwortung nach oben zurückzugeben: Wenn die entscheiden, dann sind sie auch schuld, wenn es nicht klappen sollte. Damit ist die motivierende Kraft von Autonomie ein wenig in Vergessenheit geraten. Verantwortlichkeit muss dann auch eingefordert werden.

3.  Rückmeldekanäle schaffen

Nicht zu wissen, ob ich gut arbeite, das höhlt die intrinsische Motivation aus. An vielen Arbeitsplätzen ist die Rückmeldung automatisch: Im Kundenkontakt sieht der Berater, wie dem Kunden das Angebot gefällt oder ob er den Bescheid verstanden hat.

Bei tiefgeschachtelter Arbeitsteilung in Großunternehmen wird es schwerer, Erfolgserlebnisse zu bekommen oder auch Korrekturnotwendigkeiten zu erkennen, die ja auch zu Verbesserungsanstrengungen motivieren. Aus Motivationsgesichtspunkten lohnt es sich für die Organisations- oder Personalabteilung, hier auf die Ideensuche zu gehen, z. B. Erfolgskennziffern zeitnah zugänglich machen, Kundenbewertungen an Backoffice-Abteilungen weitergeben oder Feedback der internen Kunden zu organisieren.

Für jeden, der sich selbst motivieren will:

Das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)

Bei der Selbstmotivation geht es meist um das Durchhalten. Wie können wir dafür sorgen, dass unsere Entschlüsse nicht als typische Silvestervorsätze enden, die im Januar schon wieder Geschichte sind?

Der Schlüssel dazu ist die psychologische Erkenntnis, dass Motivation ein Prozess ist, kein Zustand. Wir gehen quasi mit unseren Wünschen einen Weg durch unterschiedliches Gelände: Vom Abwägen über die Entscheidung zu Zielsetzung, Planung und die Mühen der Umsetzung bis zur abschließenden Nachbetrachtung.

Sie sehen: Nach der Entscheidung für ein Vorhaben sind wir noch lange nicht fertig! Es lohnt sich, die weiteren Phasen des Motivationsprozesses bewusst zu steuern und zu unterstützen. Dazu haben die Schweizer Storch und Krause ressourcenorientierte Selbstmanagementmethoden zusammengestellt. Das ZRM arbeitet mit

  • einem handlungswirksam formulierten Zielsatz, der anhand von „somatischen Markern“ (körpersprachlichen Signalen) identifiziert wird
  • Erinnerungshilfen, die „Priming-Effekte“ (neuronale Bahnungen) nutzen
  • „Embodiment“: das Körpergedächtnis einschließen durch kleine Bewegungsübungen
  • Ressourcen-Tankstellen u.a. Ankertechniken
  • Einbeziehen von sozialen Ressourcen
  • Ausführungsintensionen für schwierige Situation, unterschieden nach vorhersehbar (Typ 1) und unvorhersehbar (Typ 2)

Die mittleren Phasen im Motivationsprozess sind die sogenannten Volitions- oder auch Willenskraft-Phasen. Hier ändern sich nachweislich kognitive Prozesse, z.B. die Wahrnehmung, um die Zielerreichung psychisch zu „beschützen“. Diese Phasen werden vom ZRM besonders ausführlich unterstützt.

Das ZRM ist ein hilfreiches Werkzeug für Coachingprozesse.  Wenn sie mehr dazu wissen wollen, sprechen Sie mich gerne an!

Über den Autor

Sabine Neugebauer

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